Geschützt: Oleg Komarov
Feinripp. urbanized lifestyle
Unser Gehirn: Informationsbahnhof von Wahrnehmungen und Kernstation der Fantasie. Etliche Bilder fahren hier täglich ein und aus und werden bewusst, wie auch unbewusst Teil unseres Farb- und Formrepertoires. Anhand dieses Grundstocks können wir Neues und bereits Bekanntes erkennen und identizifieren, sodass wir wissen, womit wir es zu tun haben. Der Mensch sucht automatisch nach Mustern und Formen, die ihm etwas aussagen. Was er nicht erkennt, kann er nicht fassen, aber muss es deshalb immer so eindeutig sein?
Was passiert, wenn man einen Gegenstand zerlegt, seine Form vernebelt, ihm das offensichtliche Erkennungsmerkmal nimmt und nur eine reduzierte Fläche übrig lässt? Kann unser Gehirn den Gegenstand trotzdem erkennen und wenn nein, kann es das Fremde dann einfach fremd sein lassen? Oft reicht eine einzige Farbe aus, um eine Assoziation hervorzurufen. Ob wir in dem, was wir sehen, auch das sehen, worum es sich tatsächlich handelt, ist vielleicht garnicht immer wichtig. Man muss auch nicht immer das große Ganze sehen, um die Ästhetik in etwas zu verstehen, manchmal liegt sie auch im Detail.
Für Details interessiert sich auch Karin Rosemarie Bleser, die unter anderem auch beim TAB Art Market mitgewirkt hat. Die Frankfurter Künstlerin fotografiert analog und konzentriert sich ganz bewusst auf die Abstraktion alltäglicher Motive. Dabei experimentiert sie nicht nur mit dem Licht und der Perspektive, sondern auch mit Chemie. Das, was sie aus ihren Bildern sozusagen wegnimmt, kann und soll unsere eigene Fantasie ganz individuell neu füllen. Das Unsichtbare wirkt mit, so entsteht Raum für freie Interpretation.
Da bis zum 25. September auch noch ihre Ausstellung in der Galerie Textor 74 läuft, haben wir die Gelegenheit beim Schopf gepackt und Karin interviewt.
Hallo Karin, damit wir dich ein bisschen besser kennenlernen, erzähl uns doch als erstes etwas über dich und deine Person.
Seit ich mich erinnere, habe ich Sehnsucht nach der Nordsee. Das Leben brachte mich jedoch zunächst von Frankfurt aus in den Süden:
Ich lebte 8 Jahre in Stuttgart. Diese Jahre waren wichtig für meinen Entwicklungsprozess, gerade auch im Hinblick auf meine Kunst und den Beginn meiner Ausstellungstätigkeiten.
Ein Jahr verbrachte ich dann doch noch im Norden; auf der Nordseeinsel Norderney.
Seit fast 6 Jahren lebe ich wieder hier in Frankfurt am Main. Mein Atelier befindet sich in Offenbach.
So oft es geht bin ich in Stuttgart und auch an der Nordsee.
Lichtbild18a, 2006. Foto auf Metallicpapier Kodak unter Acryl 140,7x 62 cm. © Karin Rosemarie Bleser
Wie bist du zur Fotografie/.. gekommen?
Meine Leidenschaft für die Fotografie ist ungebrochen – sie wächst stetig.
Schon als Kind beschäftigte ich mich mit Zeichnen, Fotografieren und Schreiben und versuchte Dinge, die ich entdeckte oder die mich faszinierten, „festzuhalten“.
Auch wenn ich mich oftmals in Zeichnungen und Lyrik ausdrücken wollte, ist die Fotografie zu meinem künstlerischen Medium geworden.
Ich erinnere mich an eine Vollmondnacht in meiner frühen Jugend.
Der Mond hing, fast rot, ganz nah über dem Taunus. Die Enttäuschung war groß, als die Bilder meiner Pocketkamera aus dem Labor kamen. Natürlich war darauf nichts außer “Schwarz” erkennbar.
Heute haben wir ja ganz andere Möglichkeiten. Dennoch bleibe ich der analogen Fotografie – vorwiegend der Instantfotografie verbunden.
Welche Künstler oder welche Kunstbewegung /was hat dich beeinflusst und auf welche Art
und Weise?
… wenn man bedenkt, dass sicher viele Einflüsse unbewusst ablaufen, ist das eine komplexe Frage.
Emotional automatisch angezogen werde ich durch melancholische Bilder, sei es Schwarz-Weiß-Fotografie oder Zeichnungen, Abstrakte Malerei und Abstrakte Fotografie.
Ich kann nicht sagen, dass sie mich direkt beeinflusst haben, aber sie haben mich bewegt und bleiben unvergessen – insofern vielleicht doch beeinflusst:
Wolfgang Tillmann, oder auch Edy Brunner mit seinem Werk: “St. Gotthardt Tunnel”, sowie Armin Böhme mit “Genua Riot” – erst bei längerer Betrachtung erkennen wir die Details auf diesem grandiosen Bild), die Interieurmalerei von Vilhelm Hammershoi aber auch einige der Bauhaus KünstlerInnen und nicht zu vergessen : Die “Villa am Meer” von Arnold Böcklin – um nur einige Wenige zu nennen.
Verfolgst du mit deiner Arbeit eine bestimmte Absicht, bzw. möchtest du mit deiner Kunst
etwas Bestimmtes zum Ausdruck bringen?
Ich setze mich mit der Dekodierung von Licht, Spiegeln und Gegenständen meiner direkten Umgebung auseinander und überlasse den Betrachtenden die Frage und auch die Antwort, was sie, er sieht – was sie zu sehen scheinen oder glauben.
Die Re-Konstruktion erledigt das Gehirn von selbst und sucht nach bekannten Gegenständen – meist vergeblich. Durch Destruktion und Abstraktion des eigentlichen Motives entsteht ein Neues. Von der Illusion des Sehens stellen die Bilder die eigene reale Wahrnehmung in Frage und führen den Betrachtenden dann endlich in die Welt eigener Assoziationen.
Meine Bilder sollen den Betrachtenden mit einbeziehen, indem dieser sich ganz im Sinne der Methode Achtsamkeit vertiefen, ja versinken kann oder gar „muss“; es eröffnen sich Räume.
Mich interessieren Details:
Vom Abstrakten bewege ich mich wieder auf gegenständliches Arbeiten zu in immer minimalistischer Formgebung.
Vom Gegenstand zur Abstraktion und von der Abstraktion ins Gegenständliche.
In meinem Polaroid-Art-Konzept besteht ein enger Zusammenhang zu Licht- und Temperatureinflüssen, Zeitpunkt und Ort sowie chemischen Prozessen.
Hierbei abstrahiere ich auf möglichst wenige Komponenten wie Farbe, Form, Linie und Textur ganz im Sinne des minimalistischen Stils, so dass die Interpretation und Bedeutung eines Werkes den BetrachterInnen überlassen wird.
Weggelassenes ist Bestandteil des Ganzen. Dabei sind die Grenzen von Abstraktem zu Minimalistischem fließend.
Was bezeichnest du als deine Vision bzw. wie würdest du deine Philosophie beschreiben?
Hast du ein Motto?
Frei nach Heraklit von Ephesus: „Das Einzig Beständige ist der Wandel“.
Wo oder wie findest du deine Inspiration? / Was im Leben inspiriert dich und fließt in deine
Kunst mit ein?
Mein Blick richtet sich auf das Stille, Vergängliche, Melancholische, nicht immer bewusst Sichtbare im Leben. Sowohl mit Worten in der Lyrik als auch in der Fotografie.
Beides ist die Auseinandersetzung mit meiner eigenen Entwicklung, den Erfahrungen und eine Reflexion meiner eigenen Wahrnehmung bzw. Wahrnehmungsfähigkeit;
eine Überwindung des Selbst und darüber hinaus wachsen – Grenzen ausloten – Grenzen überwinden.
Ich setze mich mit Objekten in ihrer Einzigartigkeit – den Details auseinander. Diese Details üben eine ungemeine Faszination auf mich aus. Ich liebe es mit meinem Blick zu spielen und Neues Sichtbares zu kreieren. Strukturen zu verstärken. Dem Geheimnis ihrer Einzigartigkeit auf der Spur, Ästhetik von Gegenständen sichtbar zu machen, das Wahrnehmen von scheinbar Unsichtbarem.
Durch Reduktion, dem Spiel mit Unschärfe suche ich und daraus entstehen neue Motive im Grenzbereich von Gegenständlichkeit und Abstraktion.
Die Polaroidarbeiten – anfänglich Experimente mit physikalischer Gesetzgebung und eigener Entwicklung im gesamten Prozess – sind heute verknüpft mit bewusster, experimenteller, manueller, haptischer und geplanter Manipulation im physikalischen Entwicklungsprozess eines Polaroidsofortbildes.
Im Dialog mit meinen Objekten oder Texten soll das Melancholische, Vergängliche, Leise, Stille, Tiefe und sich am Rande Befindende sichtbar werden.
“Kunst” heißt für dich..?
Identität und Transzendenz – Leben – Atmen – Erfahrung
Deine Kunst/ Arbeit ist in wenigen Worten auf den Punkt gebracht…
Sinnliche Erkenntnis über die „normalreale“ Wahrnehmung hinaus – Experimentelle Fotografische Malerei.
Was andere sagen:
(…) Und schafft es durch ihre Kunstwerke eine große Intensität zu erzeugen. Ich verspüre immer den Wunsch, mich den Kunstwerken annähern zu wollen. Sie wirken auf mich ein und verändern mich. . Ich betone das Wort Kunstwerke. An der Polaroidkunst der Karin Rosemarie Bleser kann man sehen, dass sie den Schritt von der einfachen Fotografie – die früher, wie meine Ausführungen zeigen, eher als handwerkliches Hilfsmittel für die Kunst verstanden wurde – zur bildenden Kunst bestens vollzogen hat. (…)
Die Motive sind oft (ihre eigenen) Spiegelbilder und Licht. Bleser wird durch den Arbeitsprozess und das daraus resultierende Ergebnis stark inspiriert, und sie findet das Spiel mit der Reflexion faszinierend. Bleser achtet auf Details und versucht die Ästhetik von Gegenständen sichtbar zu machen, zielt darauf das Wahrnehmen von scheinbar Unsichtbarem zu erzeugen. Da sie sich wie bereits gesagt für Details interessiert, hält sie es auch für folgerichtig, diese in ihrer direkten Umgebung aufzuspüren.
Heute kehrt die Künstlerin von ihren Lichtbildern, die teilweise noch zu großformatigen abstrakten Bildern transformierten in ihren aktuellsten Werken zurück zu gegenständlichen Arbeiten. Sie abstrahiert hier auf möglichst wenige Komponenten wie Farbe, Form, Linie und Textur ganz – so Bleser – im Sinne des minimalistischen Stils. Der minimalistische Stil strebt nach Objektivität, schematischer Klarheit, Logik und Entpersönlichung und weist sich u. a. durch das Reduzieren auf einfache und übersichtliche, meist geometrische Grundstrukturen aus. Die Interpretation und Bedeutung eines Werkes wird somit dem Betrachtenden überlassen. Das Weggelassene, sagt Bleser, ist Bestandteil des Sehens.
Die Kreativität ist für mich ein Familienmitglied der Abstraktion. Karin Rosemarie Bleser ist also auf dem richtigen Kunstweg.
(Ingrid Wiche – Kunstmanagement Lenningen)
Mehr Bilder, Infos und Termine auf der Website und auf Facebook.
Fotos © Karin Rosemarie Bleser
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